Loyalty to Loyalty - Cold War Kids

Nein, nicht alle guten Indie Bands stammen aus UK. Auch die Staaten haben große Bands hervorgebracht, die Killers zum Beispiel, oder die Strokes.
Das ist die alte Garde, die Generation, deren Debüts schon zur Jahrtausendwende erschienen sind. Es gibt kaum Bands aus der zweiten, neuen Generation, die es schaffen die Qualität ihrer Einflüsse auch nur annähernd zu erreichen.
Cold War Kids sind anders. Schon alleine der Name weckt Hoffnungen auf Kreativität, die bedingungslos eingelöst werden. Auf dem Debütalbum "Robbers and Cowards" war alles drauf: Ein Hit mit "We used to Vacation", ein Soul-Song mit "God Make Up Your Mind", totale Hilton-Lounge-Tauglichkeit.
Die 4 Jungs aus Kalifornien haben auch bei ihrem Erstling ihre Leidenschaft zum Soul und Jazz angedeutet, in ihrem neuen Album "Loyalty to Loyalty", das bei uns am 19. erschienen ist, leben sie dieses Faible noch viel Ungezwungener aus.
Die Scheibe lauft runter und rauf wie ein einziges Konzert, und selbst per MP3-Player entfalten die Songs ihre Stimmung vollkommen. Man sieht sich in schwarzen Ledersesseln sitzen, vor der Überwachungskamera Grimassen ziehen, während vier Musiker auf der Couch vor einem Lümmeln und ihre Songs zum besten geben.
Jammen ist cool.
Die Platte beginnt "Against Privacy" und man bekommt gleich mal die volle Soul-Portion ins Gesicht gehauen.
Downbeat, im ersten Song, auf Gitarrenmelodien aufbgebaut, Nathan Willett stähnt mal wieder mehr als dass er singt, und ähnelt damit einem Godfather der Indie-Musik überhaupt. Thom Yorke von Radiohead, nämlich.
Obwohl sich die Melodie und auch das Tempo des Stückes nicht besonders ändert, erst am Schluss bekommen wir noch einmal ein Gitarrensolo präsentiert, dass am Anfang leise beginnt sich aber dann zu einem dramatischen Abschluss mit Jazz-Drumming im Hintergrund steigert, und dann unverhofft abbricht.
Ende.
Wir hören "Mexican Dogs" und gleich mal den ersten Hit des Albums. Zuerst heult der Sänger im Stile eines Wolfes in den Mond, dann fängt der Song an. Aggressiver Gesang, auf Melodie bedacht, mit unruhigen Gitarren im Hintergrund. Im Refrain beginnt eine nächtliche Anarchie, das Klavier steht bei den Cold War Kids nicht in der Ecke rum. Auf diesen passenden Refrain folgt wieder die Strophe, diesmal jedoch noch dramatischer, als vorher, das Klavier ist nun voll integriert, unterstützt den Song. Und dann kommt natürlich auch noch das Gitarrensolo, Nathan Willett haucht den Gesang in den Hintergrund, kurz vor Ende beginnt er nich einmal stöhnend zu klagen, dann ist auch dieser Song vorbei.
Im Stile von Rockstars aus den 60's beginnt der nächste Hit, "Every Valley is not a Lake". Das Klavier spielt erneut eine wichtige Rolle, spielt das rockige Intro, und mit Gitarre und Gesang verfallen die Kalter-Krieg-Kinder wieder in ihre melodische Anarchie, die sie und dieses Album so sehr auszeichnet. Die Band lässt sich nicht von der angedeuteten Melancholie ihrer Stücke bezwingen, nein sie kämpft in Person von Nathan Willett dagegen an. Erfolgreich.
In der Mitte des Songs hören wir erneut das Klavier, mit der Gitarre im Hintergrund, es ist eine Art Neuanfang inmitten des Stückes. Melodiewechsel, die Gitarre nun im Vordergrund, ein beatiger Sound nun, und dann das Ausblenden.
Die Single des Albums "Something is Not Right With Me" folgt nun, und man hört auch hier, warum dieser Song die erste Single geworden ist.
Dieser Song wird im Deutschen Fernsehen irgendwann als Hintergrundmusik für Ausschnitte der Sportschau herhalten müssen, weil er in Deutschland wohl keine andere Verwendung finden wird. Doch klagen wir nicht über die Unzulänglichkeit der deutschen Medien, lassen wir uns von der Tanz-Melodie des Songs anstecken. "Something is not Right With Me, I Try Not To Let it Show" schreit Nathan Willett aggressiv in das wohl sehr strapazierfähige Mikro, und das hört sich wunderbar an, regt zum Fröhlichen Mittanzen an. Das Lied scheint zwar fast nur aus der einen Melodie zu bestehen, doch bei welchem Hit hören wir nicht Fünf-mal den Refrain?!
"Whistle Blower, Gotta get out of school - They don't want poets, they want pigeons on a stull"
Astreines Texten, mit afrikanischen Bongos im Hintergrund. Und wieder folgt die Anarchie aus Gitarre, Bongos, Gesang, Klavier und Jazz-Drumming. Soulig, und klasse. "Devils in the deep tales", ist der Refrain, in dem die Anarchie diesmal komplett ausfällt. Die Zeile wird alleine drohend gesungen, mit dunkler Vorahnung. Es passt zur Stimmung, dass darauf die Bongos folgen. Ja, das Songwriter-Schema der Cold War Kids lässt sich schon im vierten Song klar erkennen, angepasst an den Pop, aber das ist ein Kriterium, nach dem jede zweite Indie-Band auszuradieren wäre. Eine Art Totschlag-Argument der Popscene.
"Golden Gate Jumpers" ist der erste Song, bei dem sich der Soul-Einfluss am deutlichsten hervorhebt. Ein ruhiger Song, Klavier und Jazzbesen stehen im Vordergrund. Dieser Song könnte auch zweifellos von einer Jazz-Sängerin gesungen werden.
Ähnlich geht es auch dem darauffolgenden Song, "Avalanche in B". Wieder einmal verausgabt sich Nathan Willett vor dem Mikro, und seine Stimme fügt sich toll in die jammige Atmosphäre ein, die von Klavier und Drums geschafft wird.
Einen poppigeren, Indie-tauglicheren Song bekommen wir mit "I've Seen Enough", dem siebten Track des Albums serviert. Beatiger Rhythmus, beatige Gitarre, überhaupt ein beatiger Song. Im Refrain kehren die drei zunächst in ihren modernen Soul zurück, einfallsreiches Drumming gibt es hier zu hören, und dann kommt die Befreiung. "I've Seen Enough" heißt es dann, und Tempo wird aufgenommen, während man in die Strophe zurückkehrt. Dieser Song wirkt tatsächlich befreiend, mir fällt tatsächlich nur ein Wort zu dem Lied ein, das wirklich passt. Freiheit, frei sein, das drückt dieser Song perfekt aus.
Auf die Befreiung folgt die Trauer. Zumindest bei den vier Kaliforniern aus Long Beach. "Every Man I Fall For" ist mal wieder ein Soul-Song, einfallsreiche Gitarre auch mal wieder. Vielmehr gibt es zu diesem Song dann auch nicht zu sagen. Doch langsam wird einem der ganze Soul auch etwas zu viel, es wirkt an diesem Puinkt etwas einfallslos.
Doch Cold War Kids sind nicht dumm, und haben nun mal wieder mit der Mischung einiges kaschiert. "Dreams of Old Men" hört man nun, man hört wieder Indie. Wieder ein schönes Songwriting, einfallsreiche Lyrics. Und die Atmosphäre des Songs passt zu der Aussage der Lyrics, der Person von einem "Dreaming Old Man". Die Kalter-Krieg-Kinder beweisen wieder, warum man sie so sehr schätzt.
Nun kommt auch noch der Love-Song, wieder ein Soul-Song, dominiert vom Klavier und der unnachahmlichen Stimme Nathan Willetts. Der Song klingt anders, als die anderen Soul-Songs, weil hier weniger die Anarchie dazu gemixt wird, als das man die Stimmung einfach in Ruhe lässt. Das passt zu diesem Album, in dieser Position auf der Platte einfach super, man muss wieder einmal die Qualitäten der Band anerkennen.
Ungewoöhnlicherweise beginnt "Relief" mit einem Synthesizer, und wenn Nathan Willett dann auch noch mit einer ungewöhnlich hohen Stimmlage zu stöhnen/singen beginnt, bekommt man den Eindruck, dass dies auch ein Radiohead-Song sein könnte. Der Refrain wird von der zeile "I'll be Back" dominiert, es steht einmal mehr die Stimme Nathan Willetts im Mittelpunkt, wäre der ganze Song wie der Refrain, wäre er für die Indie-Disco geschrieben worden. Doch dem ist nicht so, und das ist auch gut so.
Abgeschlossen wird das Album mit "Cryptomnesia", einem gefühlvollen Soul-Song. Cold War Kids scheinen einen Sinn fürs Praktische zu haben, denn bei diesem Song muss eigentlich nur Nathan Willett, der Keyboarder und Sänger auf der Bühne stehen, alle anderen können schon einmal aufräumen.
Nur die Bass-Drum wird im Hintergrund betätigt. Bei der Mitte gibt es noch einmal ungefähr drei Sekunden Gitarre, und danach setzt auch das Bass im Hintegrund ein, und es wird zum Schluss noch einmal dramatisch. Jetzt steht auf einmal und unverhofft die Gitarre im Vordergrund, allerdings nicht lange, denn die Sequenz endet plötzlich, und es wird in die Stimmung des Anfangs zurückgekehrt. Daraufhin ist "Loyalty to Loyalty" zu Ende.
Insgesamt solide, ein düsteres Album, und -obwohl Indie-Rock- etwas schwere Kost. Aber die Cold War Kids haben ihre Qualität unter Beweis gestellt, und ein reiferes Album als "Robbers and Cowards" vorgelegt. Reifer ist nicht immer schlechter, bei den Kalifornien der größeren Vielfalt wegen sogar besser, wie ich finde.
Der NME gibt dem Album 7 von 10 Punkten. Ich bin weniger streng, finde das Album hat 8/10 Punkten verdient.

Something Is Not Right With Me - Offizielles Video

1 comment:

Anonymous said...

toller kommentar! Chapeau für den Cryptomnesia-Gag! Das Album ist echt gut!