Los Campesinos! - We are Beautiful, We are Doomed

Moderne Anarchie

Mit "Hold on now, Youngster" legte das Chaos-Orchester der Cardiffer Los Campesinos! (zu deutsch: "die Bauern") ein fantastisches Album, das jugendliche Naivität mit gewitzten Texten und vollkommener Anarchie kombinierte. Die Label-Kumpel Look See Proof sagten über die Band: "Ihre Songs sind nicht perfekt, aber sie funktionieren". Jetzt kann man sich natürlich fragen, was in der Musikbranche unter perfekt zu verstehen ist. Auf mich jedenfalls wirken die Songs der Bauern wesentlich perfekter und erfrischender als die einfallslose Indie-Langeweile von Look See Proof (in einigen Songs). Denn die Jungs & Mädels um die Sänger Gareth und Aleksandra lassen sich zwar, ob bewusst oder nicht, vom Schnulzenpop beeinflussen, brechen aber konsequent die Regeln des modernen Songwritings. Geschickt schaffen sie zuckersüße Melodien auf ihrem Synthesizer, um sie dann mit brutal unmelodischen Riffs zu durchbrechen - und dann ist da ja auch noch Sänger Gareth - ein wichtiger Bestandteil der Musik von LC. Es gibt allgemein zur Musik der Band letztlich nur eines zu sagen: Das ist Anarchie. Aber moderne.

Nun aber von der Bandbeschreibung zur konkreten Analyse des neuen, gerade einmal ein paar Monate nach dem Debüt erschienen, Albums, "We are Beautiful, We are Doomed".
Mit einem Riff-Opener beginnt "Ways to make it through the Wall", jedoch wird die Gitarre kurz darauf vom zuckersüßen Synthesizer unterbrochen. Die beiden Intrumente vereinigen sich mit dem Drumming und der Gesang setzt ein - wieder einmal typische LC-Spaß-Anarchie-Musik. Denn das völlig freie, sorgenlose Gefühl verdeutlicht der erste Song schon nahezu perfekt. Die männliche, "nasty-ige" Stimme Gareths und die weibliche Aleksandras passen perfekt zur ungewöhnlichen Lyra und der Violine im Hintergrund. Dazu kommt, dass die beiden erstklassige Stimmen besitzen.
Gegen Ende bricht der Song dann noch mal "through the Wall" und entfaltet seine gesamte Energie in exzessiven Chaos-Orchester-Sequenzen, in denen die Melodie niemals fehlt. Sie wird im Vordergrund kaum verändert, im Hintergrund aber sehr wohl.
Es folgt "Miserabilia", und wer beim Piano-Intro des Songs den Eindruck hatte, das dies ein Piano-Pop-Song wird, der wird von den rockigen Gitarren eines besseren belehrt. Doch traurig ist der Song dennoch, und der Eindruck drängt sich auf, dass die Bauern aus Wales auch ruhige Songs schreiben können. "Miserabilia" hat den Charme einer Ballade gespielt von den Sex Pistols. Dennn das Lied ist zwar traurig, aber dennoch laut und energiegeladen, obwohl in wesentlich langsameren Tempo gespielt als der erste Song. Gegen Ende entfaltet erneut der Chor eine energische Dramatik und dann beginnt der nächste Song, "We are Beautiful, We are Doomed".
Nach einem akustischen, typischen Intro geht das Stück in die Strophe über, die von Gareths gesang dominiert. Darauf folgt erneut ein akustischer Refrain. Dieses Schema wird dreimal wiederholt, wobei sich die Violine beim dritten Mal im Hintergrund aufbäumt, und die Führung übernehmen will. Danach hört man erneut den Refrain - diesmal mit Gesang. Er dauert lange, besitzt viele Rhythmuswechsel, und endet, als der Song wieder ins Schema des Anfangs zurückkehrt. Gegen Ende darf die Violine dann tatsächlich auch noch einmal ran, und die Melodie Solo spielen, und dann wird erneut die Dramatik gesteigert, die Energie entfaltet. Daraufhin ist der Song vorbei.
Dass der Synthesizer im zweiten Album der Sieben Campesinos eine deutlich wichtigere Rolle übernimmt, als im Debüt dürfte der Fan schon gemerkt haben. Auch bei "Between an Erupting Earth and an Exploding Sky" gewinnt der Synthesizer zunächst die Überhand, und der Sound erinnert tatsächlich an das Szenario eines Armageddon. Der Synthie nimmt danach jedoch etwas ab, und Schlagzeug, Lyra und Gesang setzen ein. Das ist der Beginn von "You'll need those Fingers for Crossing" Das Stück veranschaulicht seine Aussage sehr gut, und klingt traurig, tragödisch, dramatisch. Die Lyra dominiert hier über längere Strecken, während der Synthesizer fast komplett im Hintergrund verschwunden ist. Und Gareth überzeugt uns erneut, dass er einen einzigartigen Sänger abgibt.
Der nächste Song, "It's never that easy though, is it? (Song for the Other Kurt)", besitzt erneut eine wunderbare Melodie und eine tolle Stimmung. Diesmal wird erneut die Jugendliche Naivität der Waliser ausgelebt, die Lyrics handeln selbstironisch von Liebeskummer.

Zitat:
"
I'm calling you again on your telephone
And all I ever get is another stupid ringtone
He's gonna get drunk and call you at four in the morning
(I know!)"


Und ja, natürlich driften die Waliser immer wieder in den Kitsch ab. Doch sie behandeln ihn immer mit einer gewissen Ironie und gerade das macht die texte der Band so reizvoll.
Auf diesen Song folgt dann mit "The End of the Asterisk" ein typischer, aber nicht unbdenigt erwähnenswerter Los Campesinos-Song, in dem die Waliser dem Namen Chaos-Orchester alle Ehre machen.
Interessanter und qualitativ besser ist da schon "Documented Minor Emotional Breakdown #1", wieder mit einem tollen Songwriting und schönen Melodien und den teils sinnlos erscheinenden, selbstironischen, und unverwechselbaren Los Campesinos-Lyrics, in denen es in diesem Song z.b. heißt "My Life is saved by 90 cigarettes". Natürlich spielen die Bauern hier erneut eine wunderbare Melodie rauf und runter, inklusive Chaos-Breakout am Ende.
Auffällig ist bislang, dass Gareth deutlich öfter ans Mikrofon gebeten wird, als Aleksandra.
Mit akustischer Gitarre beginnt Pacific Daylight Time tatsächlich, völlig gegen den Strom der Bauern. Dazu kommt eine liebliche Violine, man wird an kammermusik erinnert. Ein schwerfälliger Drumming-Rhythmus folgt, und der Synthesizer unterstreicht die Musik klangvoll. Die ausgeblendete Stimme Gareths klinkt sich darin gut ein. Doch diese Sequenz stoppt bald, und eine sogar fast country-like Gitarre setzt ein - Und alles beginnt von vorn. Diesmal wird der Höhepunkt weit schneller angepeilt, jedoch wartet man auf das Chaos-Breakout vergebens. Mit rauschender, unterbrochener Radiostimme wird der Song beendet.
Und eine letzte Hymne auf die moderne Anarchie beginnt mit "All your Kayfabe Friends". Denn hier hört man wieder ein mal den typischen LC-Sound, diesmal jedoch mit groovigem Intsumental-Style im Hintergrund, und der gewöhnt vorlauten Stimme von Gareth. Im Refrain vereinen sich Aleksandra und Gareth zu einem Chor, und warten auf die Melodie des Beginns. Es wird erneut die Strophe gespielt, der Refrain, dann ein Zwischenspiel, und erneut der Refrain - ist dieser Song tatsächlich ein astreiner Indie-Song? Die Ähnlichkeiten sind diesmal kaum zu übersehen. Doch eine
Indvidualität lassen sie sich dennoch, die sieben Studenten aus Cardiff. Plötzlich, unvermittelt und vollkommen Out-Of-Rhythm stoppt der Song und das Album ist zu Ende.
Ein schöner Abschluss, zu dem sich die Waliser Bauern die Kritik von Labelkollegen Look See Proof scheinbar zu Herzen genommen haben.

Bei so vielen Bands ist das "Erwachsenwerden" ein Signal zur Verweigerung jeglicher neuer Musik der Band. Bei Los Campesinos nicht. Denn klar, man sieht, der Sound ist ausgereifter, erwachsener und durchdachter. Fast nur noch Gareth singt, und der Synthesizer übernimmt eine Vormachtstellung im Sound der Gruppe. Doch im Gegensatz zu so vielen Bands dieses Zeitalters bewahren sich Los Campesinos! ihre jugendliche Unbekümmertheit, bzw. Naivität und ihre Selbstironie. Kreativ ist die Musik außerdem ohnehin schon vor diesem Album gewesen, und die Jungs & Mädels vom Cahos-Orchester haben es geschafft, auch diese aufrecht zu erhalten. Besonders in Songs wie "Heart Swells/Pacific Daylight Time", wo die band einfach mal etwas komplett Anderes versuchen, ist dies zu spüren. Für ihren Mut, ihre Kreativität und ihre moderne Anarchie bekommen Los Campesinos für dieses Album von mir 10/10 Punkten.

Los Campesinos - Documented Minor Emotional Breakdown #1 Live


Los Campesinos - Ways to make it through the Wall


Weil ich ihn so schön finde, hier noch einmal der gesamte Songtext von
"It's never that easy though, is it? (Song for the Other Kurt)":

This one time I kissed a girl
For class war
I pulled her hips in close and held my left fist
High above her pale right clavicle

And she said, "Tell me darling, do you think we have a future?"
Well, maybe, kinda, pretty sure we do between us
Bring over pictures of your dead pets and relatives
And we'll just say it's over if I don't shed any tears

I'm calling you again on your telephone
And all I ever get is another stupid ringtone
He's gonna get drunk and call you at four in the morning
(I know!)
He's gonna get drunk and call you at four in the morning

As if I walked into the room to see my ex-girlfriend
Who by the way, I'm still in love with
Sucking the face of some pretty boy
With my favourite band's most popular song in the background
Is it wrong that I can't decide which bothers me most?
In the forefront of my mind it's the thought
Not of you underneath, but me coming out looking worse

I'm calling you again on your telephone
And all I ever get is another stupid busy tone
He's gonna get drunk and call you at four in the morning
(I know!)
He's gonna get drunk and call you at four in the morning




Die Must-Haves des Winters

Mit Musik ist es wie mit Mode. Sie kommt und geht und kommt und geht. Es gibt die fröhliche Sommermusik und die melancholische Wintermusik, wie die kurzen Hosen im Sommer und die langen Mäntel im Winter.
Doch einen Unterschied gibt es: Das schöne, sonnige Wetter des Sommers wird man nicht so schnell leid, wie die Alben des Sommers.
Und so dürfen wir uns auf neues, auf neue Töne, neue Stimmungen freuen, und das mit Hochkarätern, die dieses Jahr auch im Winter erscheinen.

This Town Needs Guns - Animals
Schon seit vielen jahren machen die Oxforder Math-Rocker This Town Needs Guns wunderbare Musik, die Band gilt als eine der besten des Genres. Doch auf ein Album wartete der Hörer vergeblich - bis jetzt. Am 13. Oktober erscheint Animals, der erste Longplayer der Band.
Woher der Name? fragen sich jetzt wahrscheinlich wieder einige, und selbst wenn nicht, werde ich euch trotzdem diese schöne Geschichte erzählen.
Wie viele Math-Rock Bands hatten This Town Needs Guns irrelange Songnamen, wie z.B. "I'll forget about throwing that Rock cos that dance was pretty funny", die Oxforder beschlossen jedoch ihre Stücke mit kürzeren Namen zu betiteln, und kamen so auf die Idee, jedes Lied auf dem Album nach einem Tier zu benennen.
Ein wunderbar kreativer Marketing-Gag, und neben toller Musik bekommt man nun auch einen Crash-Kurs in Biologie. Wisst ihr z.b. was für ein Tier das Quetzal ist? Oder vielleicht der Chinchilla?

Promo_Video zu "Panda"



Kaiser Chiefs - Off with their Heads
Die Kaiser Chiefs sind angekommen am Olymp der Indie-Musik, schauen von oben auf die Welt herab und... langweilen sich.
So zumindest könnte es gewesen sein, das neue Album der Leedser Band zeigt das ihnen die immerselben Indie-Melodien wohl auf den Geist gegangen sind. Off with their Heads ist das mutigste, und innovativste Album der Kaiser Chiefs, produziert von Mark Ronson und mit Gastauftritten eines befreundeten Rappers.
Deutlich beeinflusst vom Klang der 80s, aber doch noch im typischen Indie-Rock präsentiert sich das Album mit mehr Synthesizern und deutlich elektronischeren Tönen als zuvor.
Ein Prelistening auf jeden Fall wert.

Bloc Party - Intimacy
Bloc Party ist eine Band die mit jedem Album etwas neues ausprobiert, versucht neue Sounds zu mischen, innovativ und nicht immer gefällig.
Besonders auf dem neuen Album haben Kele & Co. einen neuen Stil ausprobiert, ebenfalls wie bei den Kaiser Chiefs elektronischer, allerdings anders orientiert.
"Intimacy" verschreibt sich dem geordneten Chaos aus Gittare, Synth, Vocals, Drums und Gesang, indem es sich der House-Musik annähert, und tanzbare Rhythmen und Gesangsequenzen schafft. Einzige Schwäche: Der neue Stil wird auf dem Album nicht komplett durchgezogen.